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Eine Reise nach Usteröngern


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1)
An einem Samstag im Juli betrat Morihide Seki das Kaffee Kühler, in dem er arbeitete. Herr und Frau Kühler freuten sich, denn sie hatten ein Geschenk für Morihide. “Mein lieber Herr Seki.” sagte Herr Kühler, “Alles Gute zu ihrem soundsovielsten Geburtstag.” Frau Kühler tätschelte Morihide den Kopf und überreichte ihm eine Tafel Schokolade mit einem Zehn-Euro-Schein drauf und dann einen Streifen Alufolie, auf den “Tugflicket” gekrickelt war. “Danke.” sagte Morihide höflich und Herr und Frau Kühler erklärten ihm, dass er mit dem Geld das Taxi zum Flughafen II bezahlen sollte. Von dort würde er, natürlich heute noch, nach Usteröngern geschickt, um an einer Fortbildung teilzunehmen. “Die Usteröngerer haben eine hochentwickelte Kaffeehauskultur; man wird Ihnen eine Woche lang die fieseligsten Finessen des Kaffeehausgästebedienens beibringen.”

2)
Nach einer kurzen Reise in einem Flugzeug, in dem außer ihm kein einziger Gast saß, erreichte der Kellner Morihide den Flughafen Zwater Prei. Dieser befindet sich in der Hauptstadt Usteröngerns, das übrigens ein ziemlich kleiner Planet in der Nähe der Erde ist.
“Das Kaffee Kapern gehört zum königlichen Kaffeehauskombinat, dem auch das Kaffee Kühler auf Erde vor Jahren angeschlossen wurde. Ich hoffe, er wühlt sich fohl bei uns, Herr Meki, und hat nicht zu viele Umständlichkeiten mit der Sprach.”
Wenn der Herr Kaperl auch gestreng darauf bestanden hatte, ihn aus Gründen der besseren Integration unter dem Namen “Horiside Meki” zu führen, war Morihide von seinem Fortbilder und Oberkellner doch allerherzlichst aufgenommen worden. “Danke sehr, ich bin überhaupt noch sehr überrascht von der Reise, aber ich versuche alles gut zu lernen.” Morihide unterstrich seine Zuversicht mit artigem Gehopse und drückte ein wenig auf Herrn Kaperls Nase.
“Das seut mich frehr, aber lass er?s, bitte, die Nase, das ist unüblich hier, und spentanne er sich bei einem Speinänner, bis die Zausenjeit beginnt.”

3)
Morihide hatte nicht alles von Herrn Kaperls Rede verstanden, aber er bedankte sich schön und nachdem er einen kleinen braunen Kaffee ausgetrunken hatte, wurde ihm eine Rolle Alufolie und eine Schürze mit einem goldenen K darauf ausgehändigt. “Fräulein Gieslinde und Herr Hergard werden seine Kollegen sein, lieber Herr Horiside. Heute bedient er, bitte, an Visch tier und Zwisch tölf.”
“Bitte, an was bediene ich?”
Kaperl zeigte auf zwei kleine Bierbänke am Fenster. “Wenn er nun um Rat magen fruss, ich Kaperl werd an der Kasse gebraucht, frag er die Gies.”
Das hatte Morihide verstanden und sprang fröhlich auf die beiden eleganten Damen zu, die an Visch tier platz genommen hatten. “I wimmer.” flötete die eine. “Dist beppert, der ist doch neu!” Die andere Dame wandte sich an den Verwirrten. “Spei Zweinänner und ein Was Gleitungslasser mit Kraumschone.”
“Sehr wohl, die Damen.”

4)
Den ganzen restlichen Nachmittag über tat Morihide so, als verstünde er alles, was ihm die Gäste auftrugen. In Wirklichkeit versuchte er den genauen Wortlaut der Bestellungen nicht vergessen zu haben bis er bei Hergard an der Theke angekommen war. Dieser goss dann kalte, heiße und lauwarme Flüssigkeiten in Gläser oder Tassen. Oder aber er holte ein paar Dinge aus dem Kühlschrank und der extrem wachsame Morihide servierte alles schnell den hoffentlich richtigen Gästen. Ein paar mal kam er durcheinander und der eine oder andere Kunde wütete ein kleines bisschen, weil er anstatt des gewünschten Kaltgetränks ein rundes Brot im Glas bekam. Insgesamt war der Nachmittag aber gut verlaufen und Herr Kaperl sagte am Abend: “Herr Horiside, er bekommt ein leines Klob und darf sich die schlachtnafene Freit zeinehmen.”
“Bitte, ich versteh Sie nicht so gut, könnten Sie langsam sprechen?”
“Aber nicht die Nacht um die Hohren auen, morgen ab acht anfangen!”

5)
Am nächsten Morgen lernte Morihide noch die Geschäftsführerin Prillgarzer kennen. Mit allen anderen hatte er sich schon nachts zuvor angefreundet und einige wertvolle Hinweise bekommen. Zum Beispiel, wozu die Alufolie gut war, die er zu Beginn von Herrn Kaperl bekommen hatte.
Mit wichtigem Gesicht rannte Morihide zwischen den Bierbänken und dem Tresen hin und her und kratzte mit dem Fingernagel wunderliche Bestellungen Wort für Wort in die Alufolie. Ab neun Uhr begann sich das Kaffee Kapern jedoch zu überfüllen und Morihide häufte nun Speinänner, Flatbriegen, Martbilben und noch mehr Seltsamkeiten auf sein Tablett, ohne zu wissen, wem und wie er es zu servieren hatte. Unzufriedene Gäste verließen das Lokal ohne zu bezahlen und als er um halb zwölf der bereits ungehaltenen Frau Prillgarzer versehentlich einen Teller mit ferzleischten Kapern, der weltenberühmten Spezialität des Hauses, vor die Füße warf, wurde Morihide von Herrn Kaperl in die Küche gezogen.

6)
“Bei so einem Brühstücksfetrieb kann er doch nicht alles Wort für Wort einritzen. Und ich Kaperl hab doch gesagt, er frolle die Gieslinde sagen, wenn er Prachsprobleme habe. Schau er das an, die Gäste schwervinden. Und, Herr Horiside, er kann auch nicht immer in Zwäuche bicken und an Drangen wehen. Das ist sehr hunöflich in Usteröngern, versteht er?”
“Mhm.” sagte Morihide, denn hatte fast alles verstanden, was der Oberkellner gesagt hatte und versprach, dass er sich in der Mittagspause ausgiebig mit der Speisekarte beschäftigen würde.
Seine neuen Freunde Gies und Herg halfen ihm beim Lernen und als die Schausenjicht anfing, kannte Morihide auch schon eine ganze Menge Abkürzungen, die das Arbeitsleben erleichterten. “WL” für Weitungslasser, “Barst. 0,5″ für großes Barkstier und noch vieles mehr. Ebenso wusste er jetzt, das ferzleischte Kapern immer auf einem Bett aus Eis serviert wurden und dass “Erdlingspalatschinken” ein Modewort für Käsekucherl waren.

7)
“Entschuldigung für die Kapern vor ihren schönen Füßen.” sagte Morihide nach der Pause zu Frau Prillgarzer, die darüber hocherfreut war. Noch höhererfreut war die gesamte Belegschaft, als der Erdling am Nachmittag zeigte, was er gelernt hatte. Mit minuziöser Kenntnis der Keinwarte hatte er eine als äußerst schwierig bekannte Gästegruppe zu einem geseufzten “Zorvüglich!” bewegen können.
Am nächsten Tag war Tuherag und der nun liebevoll “Hori” Genannte bekam Unterricht im Plokutzen, Bürzen schügeln und Pläser golieren.
Zwei weitere Tage im Service vergingen ohne Zwischenfälle.

8)
Am Donnerstag jedoch passierte etwas.
Morihide hatte in der zugigen usteröngerer Luft eine fiebrige Erkältung bekommen und außerdem befiel ihn langsam ein kleines Heimweh. So war er bei der Arbeit ein bisschen unaufmerksam und er bemerkte nicht, dass er einen Bestellalustreifen verloren hatte.
Plötzlich kam aus der Küche ein wütendes Gefauche und Morihide wurde sogleich hineingerufen. Ein besonders sensibler Gast stand hier und schüttelte seine Faust in Morihides Richtung. “Der war’s, der hat meine Stebellung nicht ausgeführt. Und schunervämt hat er mich am Zackerl gejupft.”
Morihide entschuldigte sich tausendmal und erklärte, er müsse wohl die Bestellung vergessen haben, er sei etwas unachtsam gewesen heute, und so weiter.
Doch der Gast war untröstlich. Er hatte nach zasierten Gliebeln gefragt und um sofortigen Bescheid gebeten, falls keine mehr da seien, damit er nötigenfalls schnell alle anderen Kaffeehäuser des Planeten nach dieser speinen Feise abklappern könnte. Wofür es nun, viertel nach fünf, eindeutig zu spät war.

9)
Man muss wissen, dass zu jener Zeit zasierte Gliebeln in Usteröngern in etwa so rar waren wie auf der Erde die Bartfedern eierlegender Morcheln. Es gab sie so gut wie gar nicht und ein jedes Kaffeehaus würde monatelang Rekordumsätze verzeichnen, hätte es tatsächlich diese Delikatesse in petto. Wie gesagt, der Gast war wirklich ein sehr empfindlicher, aber nachdem er auch nach dreißig Minuten von seinem Kellner keine negative Antwort bezüglich dieser exquisiten Bestellung erhalten hatte, war er davon ausgegangen, die zasierten Gliebeln seien vorrätig und hatte einige Freunde, darunter hohe Persönlichkeiten, per Handy über dieses vermeintliche Glück informiert.
Jetzt erst bemerkte der arme Morihide, dass um ihn herum sehr viele Männer in wertvollen Gewändern standen, und nun auf Kommando gemeinsam riefen: “Za-sier-te Glie-beln, za-sier-te Glie-beln!”
Das ganze Lokal konnte es hören und nach und nach stimmten alle Gäste in den wütender werdenden Gesang ein: “Za-sier-te Glie-beln, za-sier-te Glie-beln!”

10)
Schnell zog Herr Kaperl Morihide in einen Raum mit einer dicken, eisernen Tür. “Fürs erste ist er hier sicher, Herr Hori, aber die wind sütend und werden servuchen Ihn zu ferzleischen wie eine Kaper.”
Heimweh, Fieber und dann auch noch den Tod im Nacken. Morihide setzte sich auf den Boden und weinte wie ein Schlosshund. Große Tränen platschten auf seine Kellnerschürze und den Boden.

11)
Zu Morihides Erstaunen drehte sich Herr Kaperl auf einmal wild im Kreis, lachte und jubelte und packte begeistert seine Hände. “Warum hat er das nicht geich glesagt, ha, wie schön!” Mit Schwung öffnete er die schwere Tür und überschrie den Mob: “Juhuuuu! Der Kori hotzt zasierte Gliebeln! Ja wirklich, er sacht sie melber.”
Morihide hörte auf zu weinen und sah eine Menschenmenge in den kleinen Raum drängen.
“Hicht naufören!” rief Herr Kaperl, “keiter wotzen, bitte.”
Alle betatschten den armen Morihide, der überhaupt nicht verstand, was eigentlich los war. Fremde Leute zogen an seinem Gesicht, seinen Haaren und Kleidern und der Oberkellner bellte ihn nun an: “Los, keiter wotzen, er hat uns den Brärger eingeockt!”
“Lasst mich doch in Ruhe, bitte!”
Keiner hörte ihn und verzweifelt fing der arme Morihide wieder an zu weinen.
Die Menge verstummte und Frau Prillgarzer nahm schnell eine Porzellanschale aus ihrer Schürze, um sie Morihide unter das Gesicht zu halten.

12)
Die so gesammelten zasierten Gliebeln wurden mit etwas Minze geschmückt und sogleich allen Gästen serviert, die sich schnell wieder auf ihre Plätze gesetzt hatten. Morihide wurde in einen goldenen Anzug gesteckt und auf einem gemütlichen Kissen auf die Theke gesetzt. Erschöpft vergoss er ein paar Zweudenfriebeln, die Gies und Herg gleich mit Wassergläsern auffingen.
Am Abend gab es eine große Party, bei der Morihide enthusiastisch in Sirnenbaft gebadet wurde und einige bedeutende Usteröngerer hielten bedeutende Reden auf ihn. Morihide wurde von allen möglichen Leuten abgeknutscht und er fühlte sich kaum noch krank und knutschte wild zurück.

13)
Als Morihide am nächsten Morgen in einem riesigen weichen Bett, in Seide und Mäuseflanell gehüllt, erwachte, war das Lokal bereits aufgeräumt worden und fast alle Bürger der Hauptstadt von Usteröngern standen bereit, um ihn zum Flughafen Zwater Prei zu begleiten.
Herr Kaperl half ihm schnell in einen Anzug mit goldenem K auf dem Rücken und überreichte ihm eine Tausend-Meter-Rolle Alufolie, die Gies, Herg und Frau Prillgarzer gemeinsam bis zum Flugzeug trugen. Dort wurden noch einmal große Worte gesprochen und nachdem Morihide jeden einzelnen Anwesenden umarmt hatte, legte sein Flugzeug in Richtung Erde ab. Tränen der Rührung wollten aus seinen Augen fluten, aber er unterdrückte sie lieber bis er zu Hause war. Zu Hause bei Herrn und Frau Kühler, deren Lokal in den folgenden Jahren nicht zuletzt durch die überirdische Liebenswürdigkeit seines Oberkellners Morihide Seki, fortan genannt Kori, einen ausgezeichneten Ruf bis an das Ende unseres Sonnensystems genießen sollte.

Ende

Von Kücki am 30.5.2004