Jessi im Sommer
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Ein Kanarienvogel? Ein Darwinfink? Grün und blau und rot und sehr exotisch, käfigfarben eben, tschilpt in der Straße herum, holt denn keiner die Feuerwehr? Um sich durchzusetzen gegen Unmengen von einprogrammierten Dschungelgeräuschen, die hier nichtmal die Jessicas von gegenüber hinkriegen, die zu ihrer Mutter auf den Balkon raufbrüllen.
Mamaaa ick jeh nôma mit Katja
Nein, du kommst jetzt rauf!
Oooch Mamaaaa
Ick ha dir schô dreimal jesaat…
Ick jeh dann!
Jessica! Jessica! Kommsu wohl wieder rauf!
Wiedervereinigung gelungen: Mädchen unter 14 heißen weder Doreen noch Mandy noch Kathleeen noch Shireen. Was sag ich hier Wiedervereinigung, you will be assimilated, resistance is futile… jetzt heißen sie Jessica. Obwohl, im Westen hieße sie bestimmt Leonie.
„Jetzt lass endlich die Kinder in Frieden!“ schimpfe ich mich selbst, „Kann doch jeder heißen, wie er will! Selbstgefällige Wessi-Küchensoziologie ist das, die keiner hören will!“, aber, denk ich dann, dann sollen sie gefälligst auch nicht so schreien und nicht so heißen.
Jessica geht wirklich nochmal mit Katja weg, der Darwinfink tschilpt weiter, immer panischer, und fliegt von Balkon zu Balkon, um wieder nach Hause zu finden. Herr Richter aus dem Erdgeschoss tappt auf den Bürgersteigt hinaus und findet eine Zigarettenkippe, worüber er ein bisschen schimpfen muss. Jessicas Mama liegt auf ihren Unterarmen im Fenster und brummelt in ihre aufgebockte Brust. Die letzte Balkonblume stirbt vor Kummer über ihre Balkonbesitzerin, aus der keine Jessica und auch keine Leonie mehr werden wird. Herr Richter wackelt die Straße herunter und sehr viel später wieder zurück, als schon eine kleine Kerze bei mir auf dem Balkon sitzt, so dass ich hinunterwinken kann. Der kerzenbeschienene betrunkene Besuch sagt „hier fährt ja wirklich nie ein Auto lang.“ „Hab ich doch gesagt, dass es hier ruhig ist.“ sag ich.